Didgeridoofestival, /-s
Ein- oder mehrtägiges Musikfest mit Auftritten verschiedener Solisten und/oder Gruppen, bei der Didgeridoomusik die musikalische Konzeption der Veranstaltung bestimmt. Ungefähr seit der Jahrtausendwende (um das Jahr 2000) finden Didgeridoofestivals in vielen europäischen Ländern und Nordamerika regelmäßig statt.
Allgemeines
Etablierte Didgeridoo-Festivals finden – wie vergleichbare Veranstaltungen anderer Genres – in der Regel einmal im Jahr zu einem mehr oder weniger gleichen Termin statt. Eine mehr- oder gar langjährige Verstetigung (Institutionalisierung) eines Festivals setzt neben guten äußeren Rahmenbedingungen (insbesondere Ort und Akzeptanz des Umfeldes) gleich bleibend hohes Engagement der Festivalorganisatoren und ein solides Finanzierungskonzept voraus. Dies sind anspruchsvolle, keineswegs selbstverständliche Erfolgsfaktoren.
So sind die Veranstalter/innen von Didgeridoo-Festivals in der Regel keine professionellen Veranstaltungsmanager, sondern häufig ehrenamtlich tätige Didgeridooenthusiasten, die das Festival in ihrer Freizeit organisieren. Der damit einhergehende Arbeits- und Zeitaufwand kann für Freizeitorganisatoren auf längere Dauer zu einer (zu) starken Belastung werden oder zu Vereinbarkeitsproblemen führen, insbesondere wenn die Hauptorganisatoren aus einer (sehr) kleinen Gruppe bestehen.
Mit Blick auf die Finanzierung ist die Anzahl der zahlenden Besucher/innen allein häufig zu klein, um die Veranstaltung kostendeckend oder gar mit einem Überschuss zu bestreiten, weshalb auf zusätzliche Finanzierungsquellen zurückgegriffen werden muss. Die häufigsten zusätzlichen Geldquellen bilden Reklame und Sponsoring. Didgeridoo-Festivals konkurrieren in diesem Fall mit vielen anderen Kulturveranstaltern um knappe Sponsorenmittel. Dass die Didgeridoofans in ihrer Zusammensetzung keine eindeutige Zielgruppe darstellen, macht die Gewinnung von Sponsoren für Didgeridoo-Festivals nicht unbedingt einfacher.
Typisierung und Verbreitung von Didgeridoo-Festivals
Didgeridoo-Festivals lassen sich empirisch grob in drei Kategorien einteilen:
- (i.d.R.mehrtägige) „große“ Festivals mit mehreren oder zahlreichen internationalen Top-Acts,
- ein-oder mehrtägige mittlere Festivals mit einem oder maximal zwei internationalen Headlinern und ansonsten v.a. landesspezifischen Didgeridookünstlern
- kleinere Festivals mit allenfalls einem gebuchten überregionalen oder regionalen Bühnenact, und ansonsten offener Bühne für alle anwesenden Profi- und Amateur-DidgeridoospielerInnen. Die Grenzen zwischen Festival und Spielertreffen sind bei derartigen Veranstaltungen nicht trennscharf definiert.
Didgeridoo-Festivals sind in verschiedenen europäischen Ländern, den USA und Australien verbreitet. Aus Afrika, Lateinamerika und Asien liegen keine Kenntnisse oder Informationen zu Didgeridoo-Festivals vor. Das Didgeridoo spielt auf diesen Kontinenten bisher offenkundig keine große Rolle, dennoch mag es vereinzelte Didgeridoo-Festivals geben.
Aktuelle Situation (Bestandsaufnahme Februar 2013)
In Europa bilden das französische „Le Rêve de l'Aborigène“ , das italienische „Didjin’ OZ Festival“ und das portugiesische „FATT“ inzwischen die Festivals mit der längsten Tradition, die jeweils auf zehn und mehr Veranstaltungen zurückblicken können.
In Großbritannien sind das „Singing Sticks Music Weekend“ in Northampton und „The Gathering“ in Südengland derzeit die wohl wichtigsten Events. Dabei ist „The Gathering“ ein informelles Treffen mit offenem Mikrofon für alle Interessierten alljährlich Anfang Mai. Da das „DidgHead Radio Festival“ als Nachfolger des beliebten „Didjin Devon“ sich zu einem World Music Festival ohne Didgeridooschwerpunkt verwandelte, gibt es aktuell kein wirklich großes Didgeridoofestival auf den britischen Inseln. Neu am Start ist seit 2013 das „Elementary Didgeridoo Festival“.
In Deutschland findet ebenfalls aktuell keine Didgeridoogroßveranstaltung mehr statt. Das „Kokochidan Festival“ fand bisher zweimal und zuletzt 2011 statt. Zu den festen Größen im Terminkalender v.a. der südwestdeutschen Didgeridoogemeinde zählt überdies das sogenannte „Schwarzwaldwochenende“, das 2018 zum zwanzigsten Mal stattfindet und somit zu den ältesten bestehenden Festivals gehört. Die Veranstaltung ist zu den kleineren Festivals plus offener Bühne für alle zu rechnen.
Ebenfalls zu dieser Größenordnung gehören die Didge-Sound-Days in Coburg sowie das Didjeridakel auf Burg Wilenstein.
In der Schweiz besteht seit Jahren, mit kleineren Unterbrechungen, das Swizzeridoo. Die ehemals größere Veranstaltung ist etwas geschrumpft, zählt aber aufgrund des meist hochwertigen Line-ups und den internationalen Gästen zu den weltweit bekanntesten.
In Österreich gibt es auch keine Nachfolger der erfolgreichen größeren Festivals der Nuller Jahre zu verzeichnen.
In Bezug auf Australien verdient beispielsweise das „Melbourne Didgeridoo and Cultural Festival” Erwähnung.
Aus den USA liegt aktuell nur ein Hinweis auf das „Indidjinus-Festival” vor.
Rückblick
Ob bereits in den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts einzelne Didgeridoo-Festivals stattgefunden haben, erscheint angesichts der noch sehr geringen Anzahl an Didgeridoospielern in der westlichen Welt eher unwahrscheinlich, gesicherte Informationen liegen dazu aber derzeit praktisch nicht vor. Magovan (1997: 163) berichtet für Großbritannien von Didgeridooauftritten in den frühen achtziger Jahren auf „lokalen Musikfestivals“, benennt jedoch keine expliziten Didgeridoo-Festivals.
Noch in den neunziger Jahren waren Didgeridoo-Festivals eine seltene Ausnahme, und kamen über Einzelveranstaltungen nicht hinaus. Zu nennen ist das Schweizer Uhuru-Festival auf dem Weissenstein Festival 1994 mit Australien als Thema, bei dem das Didgeridoo einen Schwerpunkt bildete. Ebenfalls in der Schweiz (auf der Schweibenalb bei Brienz) fand 1996 das „Dreamtime Festival“ als eines der ersten großen Didgeridoo-Festivals in Europa statt, bei dem zahlreiche internationale Didgeridookünstler auftraten, darunter Mark Atkins, Alan Dargin, Stephen Kent und Gary Thomas.
Aber erst ab dem Jahr 2000 begann der „Boom“ der Didgeridoo-Festivals in mehreren europäischen Ländern und den USA. Viele Festivals etablierten sich über mehrere Jahre, einige sind sogar noch heute vorhanden.
In der Schweiz fand das erste „Swizzeridoo“ im Juli 2000 noch am selben Ort des legendären 96er Dreamtime Festivals bei Brienz statt, wurde im zweiten Jahr in Bern abgehalten, um dann endgültig nach Wiedlisbach verlegt zu werden. Mit alljährig hochkarätiger Besetzung und nachgesagt starker Organisationskompetenz war das Swizzeridoo bei Publikum und Künstlern gleichermaßen beliebt. Es fand bis 2007 alljährlich statt und wurde nach einer Auszeit 2008 unter dem Namen „Swiss Didge Weekend“ 2009 ein letztes Mal veranstaltet
Den Auftakt der großen Festivals in Deutschland machte ein überregional gut besuchtes, zweitägiges Festival in Bonn im Juni 2000, das aber trotz seines Erfolges und der positiven Publikumsresonanz nur einmalig stattfand. Nur wenige Wochen später begann die Geschichte des deutschen „Dreamtime Festivals“ in Berlin, das es in den folgenden Jahren immerhin auf insgesamt sechs Veranstaltungen bringen sollte. Es wies mehrere Besonderheiten auf, die insbesondere für die ersten drei Jahre charakteristisch waren. Erstens wurde es mit einem Veranstaltungsort mitten im Berliner Stadtgebiet als ein echtes Großstadt-Festival aufgestellt (ein markanter Unterschied zu vielen Musik-Festivals, die auf der „grünen Wiese“ stattfinden). Zweitens fand es über drei Tage statt (von freitags bis sonntags), mit drei vollen Konzertprogrammen, sowie einem sehr umfänglichen Rahmenprogramm (Kinder, Workshops, Ausstellungen, Filme, Vorträge). Drittens war das Festivalprogramm nicht nur groß und umfangreich, sondern auch stets qualitativ hochwertig besetzt, mit in jedem Jahr diversen internationalen Top-Acts, was in dieser Breite zu dieser Zeit seinesgleichen suchte.
Die Besucherzahlen blieben dagegen alljährlich relativ bescheiden, insbesondere in Bezug gesetzt zur Güte und Umfang des Programms. Zu wenig zahlendes Laufpublikum (außerhalb der „eingefleischten“ Didgefans) und kein durchgängiges Interesse der deutschsprachigen Didgeridoogemeinde für ein Festival in der für viele fernab gelegenen Großstadt mögen dafür verantwortlich gewesen sein. Ein mehrmaliger Wechsel des Festivalortes (innerhalb Berlins) und temporäre Änderungen des Festivalkonzepts ab 2004 (u.a. Lockerung des Didgeridoofokus, Erweiterung auf andere indigene Kulturen) verbesserten die Besuchernachfrage nicht, trugen vielmehr zur schwindenden Akzeptanz der Veranstaltung bei einem Teil der Didgeridoogemeinde bei. 2005 fand das letzte Berliner Dreamtime Festival statt.
Durchweg etwas kleiner dimensioniert, aber auch stets mit einem internationalen Didgeridoo-Headliner besetzt, war das Stuttgarter Festival „Didgedays“, das von 2000 bis 2004 fünfmal durchgeführt wurde. Zu den Pluspunkten des Festivals gehörte unter eine regelmäßig stattfindende, qualitativ gut besetzte Open Stage für Nachwuchsacts. Ein weiteres Festival im süddeutschen Raum bildete das „Didge- und Djembe-Festival Kaufbeuren“, das siebenmal stattfand, 2005 zum leider letzten Mal.
Zu den kleineren Festivals gehörten zudem die „Syker Didgetage“, die sich als Wintertreff der Didgeridoogemeinde im Norden des Landes von 2001-2004 großer Beliebtheit erfreuten.
Zwischen 2006 und 2008 wurde in Deutschland sodann in der Altmark bei Stendal (Sachsen-Anhalt) dreimal das Festival „Didgevillage“ mit sehr guter Publikumsresonanz veranstaltet. Zu dem Zeitpunkt war dies das einzige Didgeridoo-Festival in Deutschland mit mehreren hochrangigen Acts. Es schloss somit ansatzweise die Lücken, die mit dem Ableben der etablierten größeren deutschen Festivals (Berlin, Stuttgart, Kaufbeuren, siehe oben) entstanden waren. Es konnte jedoch aus finanziellen Gründen leider nicht fortgeführt werden.
In Österreich war einige Jahre das „Austria-Didge-Festival“ populär. Zunächst fiel im Sommer 2002 der Startschuss für das erste, noch kleine Didgeridoofest bei Tragöß in der Steiermark. Bereits 2003 wurden jedoch nach Veranstalterangaben 3000 BesucherInnen beim ersten offiziellen „Austria-Didge-Festival“ am selben Ort gezählt. In den folgenden Jahren gelangen weitere Steigerungen der Besucherzahlen. In den Jahren 2005 bis 2007 wurde alljährlich das Festivalkonzept verändert und der Umfang des professionellen Didgeridooprogramms zuletzt etwas verkleinert. 2008 gelang den Veranstaltern die Vorlage eines Top-Programms. Unter anderem nach zweimaligem Pech mit den Wetterbedingungen zum Festivaltermin, das zum Ausbleiben von zahlendem Laufpublikum beitrug, wurde das Festival jedoch nach 2009 nicht mehr fortgeführt.
2002 begann auch die Karriere des französischen Festivals „Le Rêve de l'Aborigène“ im südwestfranzösischen Airvault. Ausdrücklich als „Festival für Didgeridoo, Maultrommel und Obertongesang“ annonciert, stellt die musikalische Konzeption nicht allein das Didgeridoo in den Mittelpunkt, sondern führt drei traditionsreiche Instrumente für obertonreiche Musik zusammen. Vom ersten Jahr an immer mit Top-Künstlern der drei Sparten besetzt und mit stabil hohen Besucherzahlen gesegnet ist das Festival bislang erfolgreich und bei den Gästen beliebt.
In Spanien fand zu Ostern 2002 das erste Didgeridoo-Festival im katalanischen Arbuciès als ein kleines Low-Budget-Festival statt, mit überwiegend spanischen Spielern und Gruppen sowie einem international bekannteren Headliner. Im darauf folgenden Jahr war die Besetzungsliste des in den Sommer verlegten Festivals jedoch deutlich verändert und enthielt gleich mehrere internationale Top-Acts (Atkins, Jackson, Stein & Turnbull, Beijerinck). Die Besuchernachfrage blieb jedoch schwach, und das Festival endete wie im Vorjahr mit finanziellen Verlusten des privaten Veranstalters. 2004 fand das Festival offiziell noch einmal statt, stellte jedoch im Wesentlichen nur eine mehrtägige Workshopveranstaltung mit informellen Konzerten in kleinem Kreis dar. Das Festival wurde danach nicht wieder aufgelegt.
In Italien begann das Didgeridoo-Festivalfieber mit dem ersten „Didjfest 2001“ in Cavour bei Turin. Drei weitere Ausgaben dieses Festivals folgten bis 2004, mit jeweils immer guten Programmmischungen internationaler und italienischer Didgeridookünstler. Im selben Jahr 2004, in dem diese Festivalreihe endete, wurde das erste Didjin’ OZ Festival bei Cesenatico veranstaltet. Das „Didjin’ OZ Festival“ wuchs seitdem zum wichtigsten italienischen Didgeridoo-Festival heran.
In England wurde das „Didjin' Devon“-Festival im August 2002 aus der Taufe gehoben, das sich innerhalb weniger Jahren zum größten und wichtigsten britischen Didgeridoo-Festival entwickelte. 2006 wurde es unter dem Namen „Didj Fest UK“ (DFUK) zum letzten Mal in der Form und am selben Ort in Südengland veranstaltet.
In den USA wurde im Jahr 2000 das „Joshua Tree Festival“ in Kalifornien erstmalig aufgelegt, das sich als regelmäßiges Festival etablieren konnte. Nach einem Umzug nach Northfolk hieß das Festival „Jammin Tree Didgeridoo Music Festival“ (JT Didjefest) und wurde bis 2009 zehnmal veranstaltet, danach nicht weitergeführt.
Autorenhinweis: Zusätzliche Informationen etc. zu den hier genannten und/oder anderen Didgeridoo-Festivals werden gerne entgegengenommen! Mail bitte an die Redaktion